Donnerstagmorgen, 6 Uhr: Ein Schwertransporter biegt auf den Campus Melaten der RWTH ein. Beladen ist er mit den Komponenten einer Anlage zur Dampfreformierung, welche die Versorgung mit dem Energieträger Wasserstoff ermöglichen soll.
Die Substitution fossiler Energieträger durch grünen Wasserstoff ist gemäß dem Pariser Klimaabkommen eine zentrale Strategie zur Verringerung von Treibhausgasemissionen. Dieser Ansatz spiegelt sich folglich in einem erhöhten Forschungsaufwand im Hinblick auf die technische Umsetzung des Wasserstoffeinsatzes wider. In diesem Bereich forschende Institutionen sind im Regelfall auf die Lieferung von zentral hergestelltem, komprimiertem Wasserstoff angewiesen. Eine eigenständige, lokale Wasserstoffproduktion bedeutet hingegen eine unabhängige und flexible Versorgung mit dem zukunftsträchtigen Energieträger.
Das Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) hat deshalb in Kooperation mit dem Institut für Kraftwerkstechnik, Dampf- und Gasturbinen (IKDG) den Aufbau eines Dampfreformers zur Wasserstoffproduktion aus Erdgas für den Forschungsstandort Aachen in die Wege geleitet. Teile einer Reformeranlage, die bislang von der Emschergenossenschaft in Bottrop betrieben wurde, sind dazu am 20.7. am bisherigen Standort verladen und per Schwertransport nach Aachen auf das Gelände des IKDG geliefert worden.
Bislang ist die Anlage zur Aufbereitung von Faulgas aus einer Kläranlage genutzt worden. Dabei wird das Rohgas zunächst durch Aktivkohlefilter vorgereinigt, ehe ein methanreiches, erdgasähnliches Produkt mittels Druckwechseladsorption abgetrennt wird. Das erhaltene Produkt kann beispielsweise als Treibstoff verwendet, oder zur Wasserstoffgewinnung reformiert werden. Dazu wird das im Produktgas enthaltene Methan unter Zugabe von Wasser zu Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid umgesetzt.
Die Filter der Anlage zur Faulgasaufbereitung werden im Rahmen des Forschungsvorhabens „Dezentrale Wasserstoffaufbereitung von Biogas durch Dampfreformierung“ (BioH2Ref), an dem das IOB beteiligt ist, Anwendung finden. Dabei wird in Kooperation mit der BtX energy GmbH und dem Milchviehhof Schleupen in Krefeld eine Pilotanlage zur Wasserstofferzeugung aus Biogas installiert, in Betrieb genommen und zwecks Zertifizierung des produzierten Wasserstoffs als „grün“ hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen bilanziert. Die Produktion von Wasserstoff erfolgt wie im Falle der Faulgasaufbereitung durch die Dampfreformierung des enthaltenen Methans.
Der Weg vom Biogas zum Wasserstoff ist im Folgenden erläutert: Im ersten Schritt wird das Biogas entfeuchtet und von Spurenstoffen gereinigt, die im weiteren Verlauf Schäden an den Anlagenkomponenten verursachen können. Das Alleinstellungsmerkmal der Pilotanlage zur Wasserstoffaufbereitung aus Biogas ist die Möglichkeit des Verzichts einer vorgeschalteten Methananreicherung bzw. Abtrennung des Kohlenstoffdioxids. Im Reformer wird das im Biogas enthaltene Methan unter Wasserüberschuss bei 850 °C zu Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid umgesetzt, bevor in der Shift-Stufe weiterer, im Wasser gebundener Wasserstoff durch das Kohlenmonoxid zu elementarem Wasserstoff reduziert wird. Dieser wird schließlich mittels Druckwechseladsorption abgeschieden.
Das Anlagenkonzept eignet sich aufgrund der Einsatzmöglichkeit von kohlenstoffdioxidreichem Gas zum Anschluss an bestehende Biogasanlagen mit zurzeit noch betriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW) zur Biogasverstromung. Viele Biogasanlagen mit BHKW sind mit dem Beginn der 00-er Jahre errichtet worden, da den Betreibern gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für 20 Jahre eine feste Einspeisevergütung des produzierten Stroms garantiert worden ist. Wegen der verglichen mit anderen erneuerbaren Energiequellen hohen Stromgestehungskosten ist der weitere Betrieb der bestehenden Biogasanlagen mit BHKW über den Förderzeitraum hinaus nicht wirtschaftlich.
Für die Produktion von Wasserstoff mittels Dampfreformierung des im Biogas enthaltenen Methans sind die Energiekosten hingegen niedriger als für Elektrolysewasserstoff auf Basis regenerativer Energien wie Windenergie und Photovoltaik. Dazu geht mit einer dezentralen Wasserstoffproduktion aus Biogas ein verminderter Transportaufwand einher, so dass diese Route die Möglichkeit einer profitablen Anschlusslösung für bestehende Biogasanlagen darstellt.
Wir freuen uns, gemeinsam mit unseren Projektpartnern an diesem zukunftsweisenden Projekt zur dezentralen Erzeugung grünen Wasserstoffs zu arbeiten.