Unter­su­chung zum Ein­fluss fle­xi­bler Betriebs­wei­sen von Indus­trie­öfen auf die Lebens­dau­er metal­li­scher Hoch­tem­pe­ra­tur­kom­po­nen­ten (Fle­xi­ble Ofenbetriebsweisen)

AiF Arbeits­ge­mein­schaft indus­tri­el­ler For­schungs­ver­ei­ni­gun­gen „Otto von Gue­ri­cke“ e.V., Indus­tri­el­le Gemein­schafts­for­schung (AiF IGF):
1.07.2020 – 30.06.2024

Projektbeschreibung

Pro­duk­ti­vi­tät und Aus­fall­si­cher­heit von Ther­mo­pro­zess­an­la­gen sind von wett­be­werbs­ent­schei­den­der Bedeu­tung für deren Betrei­ber und Her­stel­ler. Im Rah­men der Ener­gie­wen­de in Deutsch­land gewinnt das gesamt­ge­sell­schaft­li­che Ziel der Nach­hal­tig­keit zuneh­mend an Bedeu­tung. Stra­te­gien zur Instand­hal­tung von Anla­gen ent­wi­ckeln sich von reak­ti­ven und vor­beu­gen­den Maß­nah­men zu vor­aus­schau­en­der, zustands­ori­en­tier­ter Funk­ti­ons­er­hal­tung. Dies trifft ins­be­son­de­re auf die ener­gie­in­ten­si­ven Anla­gen, bei­spiels­wei­se für die Wär­me­be­hand­lung von Metal­len zu.

Hoch­tem­pe­ra­tur­be­las­te­te Kom­po­nen­ten in Indus­trie­öfen erfah­ren unter Tem­pe­ra­tur­wech­sel­be­an­spru­chun­gen eine gegen­über einer iso­ther­men Belas­tung beschleu­nig­ten Kriech­ver­for­mung, wel­che in Ver­bin­dung mit einer kor­ro­si­ven Schä­di­gung die Lebens­dau­er die­ser Bau­tei­le beschränkt. Ein Bei­spiel für sol­che Kom­po­nen­ten sind Strahl­heiz­roh­re, die in Indus­trie­öfen, in denen Schutz­gas­at­mo­sphä­ren ver­wen­det wer­den, zur indi­rek­ten Behei­zung ein­ge­setzt wer­den. Am Ende der Lebens­dau­er sind die Strahl­heiz­roh­re durch Ris­se oder star­ke Ver­for­mun­gen (Vgl. Abbil­dung 1) nicht mehr funk­ti­ons­fä­hig und die Roh­re müs­sen abge­schal­tet wer­den. Der ver­rin­ger­te Leis­tungs­ein­trag redu­ziert die Pro­duk­ti­vi­tät des Ofens, bis die Roh­re schließ­lich wäh­rend eines Anla­gen­still­stands aus­ge­tauscht wer­den. Der Aus­tausch führt zu direk­ten Kos­ten für neue Strahl­heiz­roh­re, sowie zu indi­rek­ten Kos­ten durch die Pro­duk­ti­ons­aus­fäl­le. Die Erhö­hung der Bau­teil­stand­zeit stellt damit ein signi­fi­kan­tes Opti­mie­rungs­po­ten­ti­al für Anla­gen­be­trei­ber dar.

Ziel des For­schungs­vor­ha­bens ist die Unter­su­chung des Ein­flus­ses einer fle­xi­blen Ofen­be­triebs­wei­se auf die Lebens­dau­er von metal­li­schen Hoch­tem­pe­ra­tur­kom­po­nen­ten. Im Lau­fe des Vor­ha­bens wird ein mathe­ma­ti­sches Modell zur Beschrei­bung der Kriech­ver­for­mung und Werk­stoff­schä­di­gung aus­ge­wähl­ter Werk­stof­fe erstellt, wel­ches anschlie­ßend in nume­ri­schen Model­len zur Berech­nung der Ver­for­mung ver­schie­de­ner Strahl­heiz­roh­re unter Ein­wir­kung unter­schied­li­cher Tem­pe­ra­tur­zy­klen ver­wen­det wird. Ein neu­ar­ti­ges, mecha­nis­men­ba­sier­tes Kriech­mo­dell wird mit Ver­su­chen an ein­ach­sig belas­te­ten Kriech­pro­ben am Insti­tut für Werk­stoff­kun­de (IfW) der TU Darm­stadt ent­wi­ckelt. Das For­schungs­in­sti­tut OWI Sci­ence for Fuels gGmbH (OWI) unter­sucht in Kor­ro­si­ons­ver­su­chen die Chrom­ab­damp­fungs­ra­te von Mate­ri­al­pro­ben unter Ver­bren­nungs­at­mo­sphä­ren, mit der das Werk­stoff­mo­dell um einen Term zur Werk­stoff­schä­di­gung erwei­tert wird. Gleich­zei­tig wer­den hier die Model­le in Lang­zeit­ver­su­chen auf eine kom­ple­xe­re Span­nungs­si­tua­ti­on in Form von ein­sei­tig ein­ge­spann­ten Bal­ken­pro­ben übertragen.

Abbil­dung 1: Dop­pel-P-Strahl­heiz­roh­re am Ende der Lebensdauer

Am Insti­tut für Indus­trie­ofen­bau und Wär­me­tech­nik (IOB) wer­den die Ver­su­che auf Man­tel­strahl­heiz­roh­re als Bei­spiel von Hoch­tem­pe­ra­tur­kom­po­nen­ten auf die Bau­tei­l­e­be­ne erwei­tert. Zu die­sem Zweck wird für das Pro­jekt ein neu­er Über­las­tungs­prüf­stand (Abbil­dung 2) auf­ge­baut, in dem Strahl­heiz­roh­re in Lang­zeit­ver­su­chen mit unter­schied­li­chen Tem­pe­ra­tur­wech­seln belas­tet wer­den. Der Prüf­stand ist mit Rege­lungs­tech­nik nach indus­tri­el­lem Vor­bild aus­ge­stat­tet. Ein modu­la­rer Auf­bau erlaubt den Ein­bau von unter­schied­li­chen Strahl­heiz­rohr­geo­me­trien und ermög­licht so einen lang­fris­ti­gen Ein­satz des Prüf­stands. Nach den Ver­su­chen wer­den die Roh­re drei­di­men­sio­nal ver­mes­sen und so die Ver­for­mung der Roh­re evaluiert.

 

Modu­la­rer Über­las­tungs­prüf­stand mit zwei instal­lier­ten Mantelstrahlheizrohren

Nume­ri­sche Model­le, die wäh­rend der Pro­jekt­lauf­zeit ent­wi­ckelt und mit den Ver­suchs­er­geb­nis­sen aller For­schungs­stel­len vali­diert wer­den, ermög­li­chen es, die Erkennt­nis­se aus den Ver­su­chen auf wei­ter­füh­ren­de Last­fäl­le zu über­tra­gen. Für die Berech­nung der Strahl­heiz­rohr­le­bens­dau­er wird ein zwei­stu­fi­ger Simu­la­ti­ons­pro­zess ver­folgt: In nume­ri­schen Strö­mungs­si­mu­la­tio­nen wird die tran­si­en­te Tem­pe­ra­tur­ver­tei­lung eines Strahl­heiz­rohrs berech­net (Abbil­dung 3). Die Ergeb­nis­se wer­den anschlie­ßend in Struk­tur­si­mu­la­tio­nen über­tra­gen, in denen unter Ver­wen­dung des ent­wi­ckel­ten Werk­stoff­mo­dells die tran­si­en­te Ver­for­mung des Strahl­heiz­rohrs berech­net wird.

Abbil­dung 3: Bei­spiel­haf­te Ergeb­nis­se aus einer tran­si­en­ten nume­ri­schen Strö­mungs­si­mu­la­ti­on: Tem­pe­ra­tur­ver­lauf eines Strahl­heiz­rohrs bei Ein-Aus-Tak­tung des Brenners 

Abschlie­ßend wer­den mit den nume­ri­schen Model­len Unter­su­chun­gen zu ver­schie­de­nen indus­tri­el­len Ein­satz­sze­na­ri­en auf­ge­stellt. Die resul­tie­ren­de, umfang­rei­che Daten­ba­sis zu gän­gi­gen Hoch­tem­pe­ra­tur-Werk­stof­fen und Strahl­heiz­roh­ren ermög­licht Anla­gen­be­trei­bern die Betriebs­wei­se ihrer Anla­gen hin­sicht­lich der Lebens­dau­er der Bau­tei­le zu optimieren.

Projektziele

  • Auf­stel­lung von Emp­feh­lun­gen zur Opti­mie­rung des Betriebs von Indus­trie­öfen zur Opti­mie­rung der Lebens­dau­er von Hoch­tem­pe­ra­tur­bau­tei­len unter Berück­sich­ti­gung pro­duk­ti­ons­tech­ni­scher Rah­men­be­din­gun­gen und der Energieeffizienz
  • Erstel­lung eines Werk­stoff­mo­dells mit Beschrei­bun­gen des Kriech- und Kor­ro­si­ons­ver­hal­tens aus­ge­wähl­ter Werkstoffe
  • Ent­wick­lung eines nume­ri­schen Model­lie­rungs­an­sat­zes zur Berech­nung der Kriech­ver­for­mung von Hochtemperaturbauteilen
  • Iden­ti­fi­zie­rung von Gefü­ge­me­cha­nis­men, die zur beschleu­nig­ten Kriech­ver­for­mung bei Tem­pe­ra­tur­wech­seln beitragen
  • Ent­wick­lung eines mini­ma­len Ver­suchs­pro­grams mit­tels Design of Expe­ri­ments zur Über­tra­gung des Werk­stoff­mo­dells auf wei­te­re Werkstoffe

Ergebnisbericht

Im For­schungs­vor­ha­ben „Fle­xi­ble Ofen­be­triebs­wei­sen“ wur­de der Ein­fluss über­la­ger­ter hoch- und nied­rig­fre­quen­ter Tem­pe­ra­tur­wech­sel auf die Lebens­dau­er metal­li­scher Hoch­tem­pe­ra­tur­kom­po­nen­ten unter­sucht. Im Pro­jekt wur­den die Ergeb­nis­se expe­ri­men­tel­ler Unter­su­chun­gen und nume­ri­scher Model­le kom­bi­niert, um Hand­lungs­emp­feh­lun­gen zum Betrieb wär­me­tech­ni­scher Anla­gen im Hin­blick auf eine maxi­ma­le Lebens­dau­er der ver­bau­ten Kom­po­nen­ten zu formulieren.

Die expe­ri­men­tel­len Unter­su­chun­gen umfas­sen Lang­zeit­ver­su­che unter­schied­li­cher Pro­ben­geo­me­trien mit Lauf­zei­ten von meh­re­ren Mona­ten, in denen die Pro­ben über­la­ger­ten Tem­pe­ra­tur­wech­seln aus­ge­setzt wur­den. Hier­zu wur­den zunächst Tem­pe­ra­tur­mess­da­ten aus Indus­trie­an­la­gen aus­ge­wer­tet und auf bestimm­te, wie­der­keh­ren­de, cha­rak­te­ris­ti­sche Zyklen abs­tra­hiert. Es wur­den Ver­su­che an zylin­dri­schen Rund­pro­ben unter uniaxia­ler Belas­tung durch­ge­führt, um den Ein­fluss der über­la­ger­ten Tem­pe­ra­tur­wech­sel auf die Mate­ri­al­ant­wort zu unter­su­chen. Außer­dem wur­den Ein­fluss­grö­ßen auf den Effekt der beschleu­nig­ten Kriech­deh­nungs­ent­wick­lung unter Tem­pe­ra­tur­wech­sel-Bean­spru­chung unter­sucht. Als Ver­such mit kom­ple­xe­rer mecha­ni­scher Belas­tung wur­den ein­sei­tig ein­ge­spann­te, hori­zon­ta­le Bal­ken­pro­ben mit über­la­ger­ten Tem­pe­ra­tur­zy­klen belas­tet. Zuletzt wur­den die Tem­pe­ra­tur­zy­klen auch auf Indus­trie­ofen-Kom­po­nen­ten in Form von Strahl­heiz­roh­ren im Indus­trie­maß­stab auf­ge­bracht. Die Ver­su­che lie­fern ins­be­son­de­re Mess­da­ten zur zeit­ab­hän­gi­gen Ver­for­mung der unter­such­ten Geometrien.

Par­al­lel zu den expe­ri­men­tel­len Arbei­ten wur­den nume­ri­sche Model­le auf­ge­baut und ent­spre­chen­de Berech­nun­gen durch­ge­führt. Hier­bei lag der Fokus auf der Berech­nung der Strahl­heiz­rohr­ver­for­mung in Abhän­gig­keit der Ein­satz­um­ge­bung und Betriebs­wei­se. Der ent­wi­ckel­te Arbeits­ab­lauf kom­bi­niert Model­le der nume­ri­schen Strö­mungs­me­cha­nik (CFD) und der nume­ri­schen Struk­turme­cha­nik (FEM) in einer ein­sei­ti­gen Flu­id-Struk­tur-Inter­ak­ti­on. Um das Ziel zu errei­chen, wur­de eine sta­tio­nä­re Berech­nung des Ofens sowie eine tran­si­en­te Berech­nung der Ein-Aus-Tak­tung eines Reku­per­a­tor­bren­ners in einem Man­tel­strahl­heiz­rohr vor­ge­nom­men. Als Ergeb­nis wer­den Strahl­heiz­rohr-Tem­pe­ra­tur­pro­fi­le berech­net, die als Ein­gangs­grö­ße für die Struk­tur­si­mu­la­tio­nen ver­wen­det werden.

Zur Berech­nung der plas­ti­schen Kriech­ver­for­mung wur­de ein Mate­ri­al­mo­dell ent­wi­ckelt, wel­ches in der Lage ist, die im Ver­gleich zu iso­ther­men Belas­tun­gen beschleu­nig­te Kriech­dehn­ra­te unter ther­mi­schen Last­wech­seln abzu­bil­den. Die­ses Modell wird zur Berech­nung der Kriech­ver­for­mung im FEM-Modell des Strahl­heiz­rohrs und in einem ver­ein­fach­ten ana­ly­ti­schen Modell zur Berech­nung der Ver­for­mung ein­sei­tig ein­ge­spann­ter Bal­ken verwendet.

Die beschrie­be­nen Expe­ri­men­te wur­den durch werk­stoff­tech­ni­sche Unter­su­chun­gen ergänzt. So wur­de das Mate­ri­al­ver­hal­ten in Bezug auf die Abdamp­fung von Chrom unter Tem­pe­ra­tur­ein­fluss durch­ge­führt. Abschlie­ßend wur­den mikro­struk­tu­rel­le Erkennt­nis­se aus den Unter­su­chun­gen der ein­ge­setz­ten Bal­ken­pro­ben gezogen.

Aus den expe­ri­men­tel­len Erkennt­nis­sen und den Simu­la­ti­ons­er­geb­nis­sen wur­den Hand­lungs­emp­feh­lun­gen zum fle­xi­blen Betrieb von Man­tel­strahl­heiz­roh­ren abgeleit

Der Schluss­be­richt ist über die For­schungs­ver­ei­ni­gung Indus­trie­ofen­bau e.V. (FOGI) erhältlich.

Projektpartner

Ansprechpartner

Nico­las Din­sing, M.Sc.

+49 241 80–25964

dinsing@iob.rwth-aachen.de

Förderung

Das Pro­jekt (Vor­ha­ben Nr. 01IF21070N) wur­de mit Unter­stüt­zung der For­schungs­ge­mein­schaft Indus­trie­ofen­bau e.V. (FOGI) über das For­schungs­ku­ra­to­ri­um Maschi­nen­bau e.V. (FKM) ein­ge­reicht. Es wur­de über den Pro­jekt­trä­ger Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt e. V. (DLR) im Rah­men des Pro­gramms zur För­de­rung der Indus­tri­el­len Gemein­schafts­for­schung und ‑ent­wick­lung (IGF) durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz (BMWK) auf­grund eines Beschlus­ses des Deut­schen Bun­des­ta­ges finan­zi­ell gefördert.