Das seit vielen Jahren etablierte Seminar Industrieofentechnik wurde unter Beteiligung des IOB neu konzipiert und um einen neuen Schwerpunkt ergänzt – das Thema Wasserstoff als Brennstoff in Thermoprozessanlagen ist aktueller denn je.
Knapp 40 Teilnehmer haben vom 13.–15. Juni 2022 am Grundlagenseminar „Industrieofentechnik“ der Stahl-Akademie in den Räumen des Stahlinstituts VDEh in Düsseldorf teilgenommen. Die Veranstaltung, die seit vielen Jahren unter der fachlichen Seminarleitung von Prof. Pfeifer durchgeführt wird, war damit vollständig ausgebucht. Der Teilnehmerkreis bestand v. a. aus interessierten Betreibern von Industrieöfen, aber auch Anlagenbauer waren vertreten, um sich die über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Wasserstoff zu informieren.
Das Seminar zielt seit jeher auf die Abdeckung der besonderen Komplexität der Industrieofentechnik. In vielseitigen Beiträgen wurden aktuelle Themen zu Energiebilanzen, Verbrennungstheorie, Brennertechnik, Wärmerückgewinnung, Versorgungs- und Sicherheitstechnik sowie Energieeffizienz vermittelt. Als aktueller Entwicklungstrend wurde bei vielen Vorträgen der Bezug zu den Herausforderungen und Möglichkeiten mit Wasserstoff als Brennstoff und Prozessgas hergestellt.
Mit ausführlichen Überblicken zu den Themen Energieeinsatz, Energieträger, Kosten und Emissionen von Prof. Pfeifer stand der Vormittag des ersten Seminartags im Zeichen der Grundlagen. Die zweite Tageshälfte galt Ausführungen zu den Aufgaben von Industrieöfen, Energiebilanzen und der Energieeffizienz und wurde von einer Einleitung zum Thema Wasserstoff in der Thermoprozesstechnik abgerundet.
Am zweiten Seminartag lag der Schwerpunkt zunächst auf der Verbrennung. Prof. Pfeifer referierte über die Grundlagen der Verbrennung, um eine Basis für die nachfolgenden Vorträge zu legen. Martin Wicker (Dungs – Combustion Controls) legte in seinem Vortrag den Fokus auf die Ausrüstung und Überwachung industrieller Thermoprozessanlagen nach EN 746–2 und ISO 13577. Neben den Grundlagen ging er insbesondere auf die praktische Umsetzung und Anwendungsbeispiele ein. Aufgrund seiner Tätigkeit in den Normungsgremien im Bereich der Thermoprozesstechnik gab er aktuelle Einblicke in die Arbeiten an der neuen Normenreihe ISO 13577, die in Zukunft als EN ISO 13577 die EN 746 ersetzen soll. Im Anschluss gab Uwe Bonnet (WS Wärmeprozesstechnik) einen Einblick in die Brennertechnik für Industrieöfen, bei der er ebenfalls auf die flammlose Oxidation und alternative Brennstoffe einging.
Die Spezialanwendung des H2-Haubenglühens wurde von Malte Fließ (LOI Thermprocess) detailliert erläutert. Es handelt sich um einen etablierten Prozess, der schon seit vielen Jahren mit 100% Wasserstoff als Schutzgasatmosphäre durchgeführt wird und damit ein Beispiel für vorhandenes Know-How mit dem Umgang von Wasserstoff in der Thermoprozesstechnik ist. Weiteres Vortragsthema waren aktuelle Entwicklungen zu alternativen Beheizungskonzepten für Haubenöfen (elektrisch und Wasserstoff als Brennstoff). Zum Abschluss des zweiten Tages gab Hansjochen Oertel (GIWEP) einen Überblick über die energetische Optimierung von Thermoprozessen mittels Ofenmodellen. Neben den Grundlagen erläuterte er Veränderungen in der Prozessführung bei Sauerstoffanreicherung der Verbrennungsluft und Wasserstoffanreicherung des Brennstoffs.
Der dritte Tag startete mit einem Überblick von Peter Seemann (Ebner) über Wasserstoff als Abschreckmedium in Vergütelinien und als alternativer Brennstoff. Die Vorzüge von Wasserstoff, der bei der Abkühlung einen wesentlich höheren Wärmeübergang bei geringerem elektrischen Energiebedarf im Vergleich zu anderen Prozessgasen erlaubt, wurden erläutert. Außerdem wurde auf aktuelle Anlagenkonzepte und neue Entwicklungen, auch im Bereich der Brennertechnik für Erdgas-Wasserstoff-Gemische und reinen Wasserstoff, eingegangen. Im Anschluss gab Nico Schmitz, Gruppenleiter der Arbeitsgruppe Verbrennung am IOB, eine umfassende Einsicht in den Einsatz von Wasserstoff in der Brennertechnik. Neben einer Einführung in die Verbrennungseigenschaften von Wasserstoff und Erdgas-Wasserstoff-Gemischen stellte Herr Schmitz die direkten Einflüsse auf den Brennerbetrieb, die Steuerung von Brennersystemen und Einflüsse der Brennstoffe und der veränderten Abgaszusammensetzung auf Ofenprozesse vor. Abgerundet wurde der Vortrag von praktischen Brenneruntersuchungen und Ausführungen zu NOx-Emissionen und NOx-Grenzwerten.
In seinem Vortrag zum Product Carbon Footprint gab Christian Schwotzer, Gruppenleiter der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien und CO2-arme Prozesswärme am IOB, einen umfassenden Einblick in die Bilanzierung direkter und indirekter CO2-Emissionen für Produkte und Prozessketten. Neben der Ökobilanzierung nach ISO 14044 lag der Schwerpunkt des Vortrags bei wirtschaftlichen Aspekten für Erwärmungs- und Wärmebehandlungsprozesse bei dem Wechsel von Energieträgern (Erdgas zu elektrischer Energie oder Wasserstoff) ein. Last but not least trug Wolfgang Adler (VDEh Betriebsforschungsinstitut) zum Thema Wärmerückgewinnung und Brennstoffeinsparung an Industrieöfen vor. Anhand praktischer Beispiele und Leitlinien gab er einen Überblick über Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz von Ofenprozessen, dem Thema Prozessgase als Brennstoff, weitere Optionen zur Abwärmenutzung sowie Hinweise zur Wirtschaftlichkeit.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde seitens der Stahl-Akademie mehreren neuen Mitarbeiter*innen des IOB die Chance gegeben, ihr Wissen über die Grundlagen der Thermoprozesstechnik zu vertiefen und einen Überblick über aktuelle Entwicklungsarbeiten zu erlangen. Hierfür bedanken wir uns herzlich. Weiterhin danken wir der Stahl-Akademie und insbesondere Peter Schmieding für die hervorragende Organisation des Seminars und freuen uns schon auf die nächste Veranstaltung.